„You can’t escape geography“
Der Samstag bildete mit zwei offiziellen Veranstaltungen und einem offenen Abendprogramm den idealen zusammenfassenden Abschluss unserer Studienreise. In den Räumlichkeiten der FES widmeten wir uns zunächst dem Status Quo der Kasachischen Medienlandschaft und insbesondere der medialen Darstellung der nuclear survivors. In informeller Atmosphäre wurde ein Raum eröffnet, in welchem Pressefreiheit und russische Narrative in nationalen Medien diskutiert wurden. Aktuell belegt Kasachstan Platz 142 von 180 auf der Rangliste von Reporter ohne Grenzen zur Pressefreiheit. Bereits in den Tagen zuvor ist das Thema „Sprache“ (in Kontexten von Dekolonialisierung) immer wieder angesprochen worden. Auch im Rahmen des Journalismus ist Sprache natürlich ein sehr wichtiges Sujet und es war interessant zu erfahren, dass seit Beginn des Ukraine-Kriegs die Anzahl der in Kasachisch publizierten Beiträge gestiegen ist.
Fernsehsender wie „Russia Today“ werden in weiten Teilen der Gesellschaft, vor allem aber in der älteren Generation, geschaut und eine freiere Meinungsäußerung ist für Kasach*innen vor allem in den sozialen Medien möglich. Leider, muss man sagen, dass das atomare Erbe Kasachstans und insbesondere die Überlebenden der Atomwaffentests kaum medial präsent sind. Die mit der Strahlung einhergehenden Konsequenzen, und bisweilen Ungerechtigkeiten, werden nur in geringem Ausmaß öffentlich aufgezeigt. Die persönlichen Leidensgeschichten stehen nationalen politischen Linien gegenüber. Obwohl es sich nicht um „Einzelschicksale“ handelt, kommt die Kasachische Regierung der pädagogischen und medialen Aufarbeitung der Tests nicht in angemessenem Ausmaß nach. Das äußert sich beispielsweise in massiver gesellschaftlicher Stigmatisierung, die insbesondere Frauen betrifft.
Dies hat natürlich Gründe. Wie Dauren Aben, Speaker bei unserer zweiten Veranstaltung – einem zweiteiligen Paneltalk- treffend sagte: „You can´t escape geography“. Kasachstan teilt nicht nur eine Grenze zu Russland, sondern auch zu China. Es ist unerlässlich für das Land, eine gute Partnerschaft zu beiden Nachbarstaaten zu pflegen. Und dennoch bleibt der Eindruck, dass viele Potentiale unausgeschöpft beiben. Vielleicht eine Gelder-Sache, vielleicht aber auch eine Prioritäten-Frage…
Eröffnet wurde die Veranstaltung in den Räumlichkeiten des Goethe-Instituts durch ein Screening der etwa 20-minütige Dokumentation „I want to live on: the untold stories of the Polygon“ (unbedingt auf YouTube anschauen!). Anschließend diskutierten im ersten Panel Aigerim Seitenova, Gulsum Kakimzhanova und Kaisha Atakhanova das nukleare Erbe Kasachstans im Licht einer feministischen Perspektive. Im zweiten Panel folgte eine Diskussion von Dr. Togzhan Kassenova, Dauren Aben und Alimzhan Akhmetov zu Kasachstans nuklearen Policy und globalen Bestrebungen der nuklearen Abrüstung. Die Pausen boten Möglichkeit zum Netzwerken und zum Rückfragen stellen. Besonders hervorzuheben ist, dass es sich bei der Veranstaltung um ein öffentliches Event handelte und unter anderen Berater*innen aus der Atombranche eingeladen waren. Das zeigt einmal mehr STOPs Bemühungen um einen differenzierten, breitgefächerten und inklusiven Dialog zwischen Zivilgesellschaft und relevanten Akteur*innen.
Den interessanten Tag ließen wir bei einem gemeinsamen Abendessen mit den Speaker*innen ausklingen. Unsere Gastgeber*innen zeigten uns anschließend noch das lokale Nachtleben in Almaty und so ging ein weiterer lehrreicher und erfüllender Tag zu Ende.