Unser heutiger Tag begann früh am Morgen, als wir um 6:36 Uhr am Bahnhof in Semey ankamen. Die zwölfstündige Nachtfahrt im Zug war zwar durchaus anstrengend, aber wir waren sehr gespannt auf den kommenden Tag.
Als ersten Programmpunkt hatten wir um 9 Uhr ein Treffen mit Mitgliedern des Rates der Region Abay, um über die Probleme im Zusammenhang mit den Folgen der dort durchgeführten Atomtests zu sprechen. Im Bürgermeisteramt erwarteten uns Vertreter*innen verschiedener Ministerien, darunter Landwirtschaft und Gesundheitswesen. Obwohl die Tests inzwischen mehr als 20 Jahre zurückliegen, sind die Herausforderungen, vor denen die Gemeinschaft steht, nach wie vor präsent – insbesondere die gesundheitlichen Folgen, die alle Altersgruppen betreffen, von den direkten Überlebenden bis hin zu ihren Kindern. Viele dieser Kinder haben spezielle medizinische Bedürfnisse, auf die eingegangen werden muss.
Anschließend hatten wir ein Treffen mit der Verwaltung der Abay-Region, wo vor allem das Gesetz von 1992 über den sozialen Schutz von Betroffenen besprochen wurde. Dieses Gesetz sieht unter anderem eine einmalige Zahlung für diejenigen vor, die vor 1992 in der Region geboren wurden, sowie zusätzliche Unterstützungen für diejenigen, die die Region verlassen haben. Zudem gibt es eine monatliche Extrazahlung zum Gehalt sowie zehn zusätzliche bezahlte Urlaubstage von der Regierung.
Unser nächster Halt war die Semey Medical University, wo die POLYGON 21 Pressekonferenz stattfand. Hier wurden Forschungsergebnisse vorgestellt, die Empfehlungen für die sozioökonomische Entwicklung der Abay-Region enthalten. Es war ermutigend zu sehen, wie viele Pressevertrete*innen anwesend waren und sich für die Arbeit interessierten.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen setzten wir unsere Gespräche mit POLYGON 21 fort, einer NGO, die von und für nuklear betroffene Gemeinschaften ist. Hier hatten wir die Gelegenheit, mit Menschen zu sprechen, die in unmittelbarer Nähe zum Testgelände geboren und aufgewachsen sind. Ein Zitat ist uns während des Austauschs besonders im Gedächtnis geblieben: „Wir waren biologisches Material der Atomwaffentests für die Wissenschaft und Forschung.“ Diese Gespräche werden wir morgen bei einem Frühstück mit Betroffenen weiterführen können.
Auch während der folgenden Kaffeepause gab es Gelegenheiten für tiefgreifende Gespräche und süße kasachische Stückchen. Später erkundeten wir die Stadt, die sich deutlich von der schillernden Großstadt Astana unterscheidet, aber durch Geschichte und Kultur ihren eigenen Charme hat. Mit einigen Mitgliedern von POLYGON 21 besuchten wir das „Stronger Than Death Memorial“, das einen Atompilz und eine Mutter zeigt, die ihr Kind beschützt. Die Verbundenheit zwischen Hiroshima, Nagasaki und Semey wurde hier durch verschiedene Denkmäler sichtbar und von den Betroffenen in ihren Erzählungen untermauert.
Der Tag endete mit einem gemeinsamen Abendessen. Wir alle waren dankbar für die Möglichkeit, etwas Schlaf nachzuholen und über die Ereignisse des Tages nachzudenken. Es war ein Tag voller Lernen, Reflexion und vor allem der Begegnung mit beeindruckenden Menschen, die trotz ihrer Geschichte voller Hoffnung sind.