Johanna Dahle

Johanna Dahle (24) studiert Humanmedizin in Homburg im Saarland und ist davon überzeugt, dass eine Zukunft möglich ist, die nicht von atomarer Aufrüstung überschattet ist.

Interview mit Johanna Dahle. Sie studiert Humanmedizin im 9. Semester in Homburg, Saarland.

1. Warum engagierst du dich für nukleare Abrüstung?

Mich hat schon früh in meinem Medizinstudium die Frage beschäftigt, ob Medizin tatsächlich nur die Krankheitsbehandlung des einzelnen Patienten sein kann. Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit, laut WHO vielmehr ein „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens“. Damit stehen meiner Meinung nach Menschen aus medizinischen Professionen ganz besonders in der sozialen Verantwortung, sich für eine Welt einzusetzen, in der ein gesundes Leben möglich ist.

Atomare Aufrüstung steht diesem Ziel diametral gegenüber: Selbst ich als Medizinstudierende kann die körperlichen wie auch alle sonstigen Folgen eines atomaren Angriffs nur erahnen; und egal, wie viele Jahre ich mich weiter fortbilde, werde ich nicht in der Lage sein, einen Patienten in einem atomaren Szenario zu retten. Aus diesem Grund ist die einzige Behandlung, die wir haben, die Prävention: Die Aufklärung, und die Ächtung atomarer Waffen. Solange atomare Sprengköpfe existieren, ist ihr Einsatz möglich – und betrachtet man die Milliarden an Geldern, die jedes Jahr in ihre Instandhaltung gesteckt werden, kann man nicht anders, als den Entscheidungsträgern schlimmstenfalls auch die Bereitschaft zum Einsatz dieser Waffen zu unterstellen. Und das ist ein nicht tragbarer Zustand. Ich finde es schockierend, dass die meisten Menschen – inklusive mir, sich dessen bis vor wenigen Jahren – nicht einmal bewusst waren, wie aktuell das Thema nukleare Rüstung auch und insbesondere heute wieder ist. Deshalb engagiere ich mich für mehr Aufklärung in der Bevölkerung und unterstütze die Bemühungen zur Durchsetzung des Atomwaffenverbotsvertrages. Denn ich bin davon überzeugt, dass eine nicht von atomarer Aufrüstung überschattete Zukunft möglich ist. Viele wichtige Themen unserer Zeit bedürfen einer internationalen Zusammenarbeit. Atomare Abrüstung wird diese Probleme nicht auf einen Schlag lösen. Sie kann aber einen konstruktiveren Rahmen schaffen, in dem Nationen sich neu begegnen können und die Kommunikation gleichberechtigter und weniger durch unangemessene Drohgebärden geprägt ist.

2. Warum bist du bei ICAN/IPPNW aktiv?

Abgesehen von der inhaltlichen Arbeit motiviert mich vor allem, dass das Engagement in der IPPNW mich mit anderen Medizinern vernetzt hat, die humanitäre und soziale Aspekte in der Medizin für ähnlich wichtig halten wie ich. Und das nicht nur innerhalb von Deutschland, sondern weltweit. An der IPPNW gefällt mir auch, dass sie sich für vielfältige Themen einsetzt, und Wert auf Aufklärung und Bildung legt. Die Medical Peace Work-Kurse, die die IPPNW gemeinsam mit der University of Bergen online angeboten hat, haben mir auch für meinen persönlichen und beruflichen Werdegang neue Perspektiven aufgezeigt, sodass ich jetzt überlege, noch einen Master in Global Health oder etwas Ähnlichem anzuschließen.

3. Was bedeutet Büchel für dich?

Als ich vor zwei Jahren bereits einmal in Büchel war, kam ich nicht umhin, mich zu fragen, wohin die Sprengköpfe, die hier vermutlich lagern, eigentlich ausgeflogen werden würden. Man kann sich die Szenarien ja mal ausmalen – einen Radius um Büchel ziehen. Plötzlich ist das abstrakte Thema sehr nah an mich herangerückt. Gleichzeitig aber macht es Mut, dass sich an diesem symbolhaften Ort auch Menschen versammeln, die dem ein positiv gezeichnetes Zukunftsszenario entgegensetzen und bereit dazu sind, aktiv darauf hinzuarbeiten.

4. Wie sieht dein Engagement für nukleare Abrüstung vor und nach Büchel aus? Wie bist du aktiv?

Wenn man erzählt, dass man sich für atomare Abrüstung engagiert, wird man des Öfteren ein bisschen belächelt – für viele Menschen ist das Thema zu abstrakt und klingt nach Kaltem Krieg und Vergangenheit. Die meisten Leute sind sehr erstaunt, wenn sie hören, dass dem leider nicht so ist. Deshalb ist es mir besonders wichtig, dieses Thema gemeinsam mit meiner Lokalgruppe im persönlichen Gespräch und im Rahmen von Aktionen ins Bewusstsein der Leute zu rücken. Gemeinsam kann man mehr bewegen, und es macht mehr Spaß. Wichtig ist uns dabei auch, dass wir uns selbst gut informieren. Momentan arbeiten wir an einem Videodreh sowie an einem Gastbeitrag für die Saarbrücker Zeitung, und möchten unsere Stadt dazu bewegen, sich dem ICAN-Städteappell anzuschließen.